Die Fenster

I.
Der Münchner Künstler Günther Danco erhielt ab 1968 den Auftrag, die vier farbigen Bleiglasfenster für die neue Passionskirche zu entwerfen.

Eine Bildmeditation von Pfrin. Dr. Susanne Schatz, 2007 (Pfarrerin in der Passionsgemeinde bis 2010)


1. Kelch

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Mt 26,36-46

Zwei Hände halten einen Kelch, rot gefüllt.
Um den Kelch wird es dunkel, braun, schwarz, violett. Die Finsternis kündigt sich an. Ein Schatten ist hineingeworfen in das Grün, eine lebendige Landschaft, ein lichter Himmel, Leben. Das Gewohnte, das Normale verfinstert sich.

Ein Kelch, von Menschenhänden gehalten
Wird er von einem Menschen gereicht? Jesus nahm den Kelch, dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus, das ist mein Blut, das vergossen wird zur Vergebung. Jesus reicht den Kelch, gibt sich selbst, für uns.

Oder wird der Kelch von Menschenhänden genommen?
Mein Vater, ist’s möglich, spricht Jesus, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst geschehe. Jesus, der zögert und zagt, der die Schwärze, das Leid spürt, das der Kelch ihm bringen wird, Jesus, der nimmt, was auf ihn zukommt, selber in die Hand nimmt, nicht einfach nur geschehen lässt.

Und dann ist da dieser rote Strom – ein intensives Rot, stark, unübersehbar, unausweichlich, rot wie Blut.
Ein Blutstrom – Bild des Schreckens, des Verderbens. Das Wasser des Nil wird zu Blut als Gott die Ägypter schlägt. Leichen schwimmen den Kagera hinunter, das Wasser färbt sich rot vom Blut der Tutsi, massenhaft ermordet von den Hutu in Ruanda, fließt in den Victoria-See. Blutrotes Wasser klagt einen Völkermord an.

Blut- auch Zeichen des Schutzes: das Blut des Passa-Lammes am Türstock, es ist das Zeichen, das die Kinder Israels schützt, als Gott die Erstgeborenen Ägyptens vernichtet.

Blut – ein tief sitzendes Tabu. Blut verunreinigt, Blut darf nicht gegessen werden – denn dem Blut wohnt das Leben inne

Blut – auch ein Zeichen besonderer Verbundenheit, mehr als hautnah, ungeschützt – seht, nehmt, für euch vergossen.

Ein Blutstrom, schreiend fast auf diesem Bild, fließt –


2. Verrat/Verhaftung

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Mt 26,47-50

Der Blutstrom fließt, verbindet die Bilder. Unaufhaltsam drängt das Geschehen weiter, keine der Szenen steht für sich.
Einzeln sind die Bilder statisch, wie erstarrt. Die Dynamik, ja die Dramatik der Ereignisse zeigt uns dieser Strom in seiner Bewegung, vorwärts, aufwärts, drängend und unaufhaltsam.

Ein Finger, Hand eines Menschen – doch wie gegensätzlich zu den Händen mit dem Kelch. Diese Hände reichen, nehmen, geben hin, sie stiften Beziehung. Dieser Finger entblößt einen Menschen, anklagend, der da. Dieser Finger bricht mit einem Menschen, liefert ihn aus – und die drei Finger der Faust weisen auf ihn selbst zurück. Gesichter nur angedeutet, Helme, Spieße und Stangen, Soldaten, Masse ohne Individualität – eine Szene subtiler Gewalt.

Nicht das Opfer ist im Bild, wir sollen den Täter vor Augen nehmen. Warum trägt er das Grün im Ärmel? Die Farbe der ruhigen und gewohnten Landschaft aus dem ersten Bild? Gehört er zum Gewohnten? Zur Normalität?

Das Dunkel breitet sich aus, tiefviolett, schwarz. Es bleibt nur noch ein Rest des Lichtes – und der Mond. Gott, du hast die Sterne gemacht und den Mond, die Nacht zu regieren.


3. Dornenkrone

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Mt 27,27-30

Dornen, spitz zu allen Seiten – eine Krone, gebunden zu bitterem Spott. Bist du der König der Juden? Dann zeige jetzt deine Macht! Bist du der Messias? Dann hilf dir selbst!
Im Dunkel ist die Dornenkrone, tief im Dunkel, so tief haben Menschen ihn gestoßen.

Und der Blutstrom fließt.

Dieses Fenster ist heller als das vorige. Warum?
Es steht Licht am Horizont. Aber nicht nur dort – es ist Licht in der Dornenkrone; die spitzen Dornen sind nicht einfach schwarz. Auch das Rot ist in der Krone, nicht allein undurchdringliche Finsternis!
Die Krone selbst wird zum Zeichen – hier ist tiefer Abgrund, und der Vorschein des Lichts. Hier ist tiefster Schmerz, und das Versprechen der Rettung: in meinem Blut, spricht Christus, liegt Heil. Hier liegt eine Kraft und eine Stärke, die so gegensätzlich ist zur Macht der Könige: Jesus, der leidet.

 

4. Kreuz

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Mt 27,31.33-37.45-50

Der Blutstrom, er bäumt sich noch einmal auf, greift Raum, machtvoll, dramatisch in diesem Moment.
Das Kreuz ist aufgerichtet, der Ort des qualvollen Schmerzes, der Ausweglosigkeit, der totalen Ohnmacht, des Todes. Finster, braun, schwarz, violett.
Doch dieses violett wird durchscheinend, so licht war es auf keinem der Fenster. Das Kreuz, der Moment des Todes, es ist vollbracht.

Und doch gibt das Licht auf diesem Fenster den Ton an. Hinter dem Kreuz steht die Ostersonne – gelb, weiß, strahlend. Sie ist da, nicht mehr allein Horizont, sie ist über und unter dem Kreuz, umgreifend.
Das Schwarz ist nicht weg, auch das Violett nicht, im Kreuz, aber auch um das Kreuz – doch haben die finsteren Züge nicht mehr den bestimmenden Ton.

Der Blutstrom fließt langsam aus – das vergossene Blut Christi, es kommt langsam an sein Ziel, es ist zur Basis geworden, auf dem Neues entstehen kann. Das Blut, das unsere Sünde sühnt, das unsere Schuld vergibt, das uns mit Gott versöhnt, und heilt und neu anfangen, neu leben lässt. Darauf dürfen wir bauen – auf den Strom der unendlichen Liebe Gottes zu seinen Menschen.

 

II.

 

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Die Münchner Künstlerin Elisabeth Zeitler stellt ab 1968 zwei Betonglasfenster her. Sie schrieb viele Jahre später in einem Brief zum runden Fenster über dem Taufstein:

Die Leichtigkeit des Fliegens und das Gewicht der Botschaft werden ausgedrückt durch Licht in starkem Material. Die Botschaft lautet: „dem Kind Gottes wird durch die Taufe und die Gemeinschaft, in die es aufgenommen wird, Hoffnung und Friede verheißen durch den Ölzweig.“

Ich kann mich nicht erinnern, Wasser dargestellt zu haben, aber natürlich befindet sich unter der Taube Wasser: die Sintflut, der Jordan und das Wasser im Becken. Und der Taufstein wurde ikonografisch von alters her mit der Taube als dem Heiligem Geist verbunden.

Das Format, der Kreis als die vollkommenste Form… bezieht sich in der kirchlichen Architektur… durch Jahrhunderte auf Gott, und wenn Sie so wollen, auf die des Täuflings als Gottes Ebenbild.

 

 

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Beim Blick hoch zur Empore findet sich das blaurote Lamm Gottes, das Osterlamm mit der  gelben Osterfahne. Dazu schrieb die Künstlerin Frau Zeitler:

Den inhaltlichen Widerspruch zur Form erkläre ich mit den Worten des kraftvollen Schlusschores aus dem Messias von Händel „Würdig ist das Lamm, das da starb und hat versöhnt uns mit Gott durch sein Blut, zu nehmen Stärke und Reichtum und Hoheit und Macht und Ehre und Weisheit und Segen. Amen“

Beides, Kraft und Verletzlichkeit werden hier angesprochen. Darüber hinaus kann man  das Zeichen auch ganz einfach als Ausweis in Bezug auf den Namen Passionskirche sehen oder als eine Briefmarke auf der Fassade, dahinter im Inneren des Briefes die ganze geistliche Botschaft transportiert wird.